176 Archive • Abenteuer Philosophie Magazin https://www.abenteuer-philosophie.com/tag/176/ Magazin für praktische Philosophie Fri, 28 Jun 2024 13:03:44 +0000 de hourly 1 Nr. 176 (2/2024) https://www.abenteuer-philosophie.com/nr-176-2-2024/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=nr-176-2-2024 https://www.abenteuer-philosophie.com/nr-176-2-2024/#respond Thu, 28 Mar 2024 18:36:32 +0000 https://www.abenteuer-philosophie.com/?p=6808 Magazin Abenteuer Philosophie

Philosophische Perspektiven

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Einheit in der Vielfalt https://www.abenteuer-philosophie.com/einheit-in-der-vielfalt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=einheit-in-der-vielfalt https://www.abenteuer-philosophie.com/einheit-in-der-vielfalt/#respond Thu, 28 Mar 2024 15:26:22 +0000 https://www.abenteuer-philosophie.com/?p=6829 Magazin Abenteuer Philosophie

Unsere Zukunft ist neu zu denken
Mit global gegen national, Ost gegen West, Wissen gegen Glauben, Tradition gegen Fortschritt führen wir unsere Welt immer mehr in die Spaltung und in den Krieg. Wie schaffen wir es, wieder zu einer Harmonie der Gegensätze zu kommen?

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Unsere Zukunft ist neu zu denken

Mit global gegen national, Ost gegen West, Wissen gegen Glauben, Tradition gegen Fortschritt führen wir unsere Welt immer mehr in die Spaltung und in den Krieg. Wie schaffen wir es, wieder zu einer Harmonie der Gegensätze zu kommen?

„E pluribus unum“, aus vielen eines, lautet der Wappenspruch auf dem 1782 entstandenen Großen Siegel der Vereinigten Staaten von Amerika. Bis 1956 war der Spruch auch das inoffizielle Motto der USA. Dann wählte der Kongress „In God we trust“ zum offiziellen Motto. Viel später, erst 2000, wurde im Zuge eines Wettbewerbs unter Schülern aus 15 Mitgliedsstaaten das bis heute gültige Europamotto ausgewählt: Das ursprüngliche „Einheit in Vielfalt“ wurde syntaktisch zu „In Vielfalt geeint“. Während das US-Motto heute auch gut „In God we Trump“ lauten könnte, ließe sich das EU-Motto neuerlich syntaktisch zu „Einfalt in Vielheit“ umformen. Man könnte schmunzeln, wäre es nicht zu ernst.

Die Globalisierung hat zu Homogenisierung und Unterdrückung, 
wenn nicht sogar Auslöschung von lokaler Vielfalt geführt.

Während also Europa und die USA durch ökonomische, kulturelle und ethnische Spaltungslinien vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen, werden in Staaten wie Russland, China oder Türkei (auch Ungarn wird seit 2019 als Autokratie geführt) alle Gegensätze autokratisch uniformiert. Damit wird Vielfalt negiert und unterdrückt. Auch die Globalisierung hat nicht zum möglichen Austausch und Verbindung von Kulturen und Traditionen geführt, sondern ebenfalls zu Homogenisierung und Unterdrückung, wenn nicht sogar Auslöschung von lokaler Vielfalt. Dies, obwohl alle modernen Studien von Systemtheorie und Entwicklungsbiologie belegen, dass jedes System umso stabiler und stärker wird, je größer seine Vielfalt ist.

Was kann Vielfalt?

Bei Ökosystemen zeigt sich eine umso höhere Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltveränderungen, je vielfältiger die Arten und Lebensräume sind. Nimmt eine Art durch Krankheiten oder sonstige Katastrophen ab, übernehmen andere Arten ihre Rolle. Geht ein Lebensraum durch menschliche Eingriffe verloren, dienen andere Lebensräume als Ersatz. Generell trägt eine hohe genetische Vielfalt bei Pflanzen- und Tierpopulationen zu einer besseren Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen bei.

In menschlichen Gesellschaften führt kulturelle Vielfalt zu einer größeren Bandbreite von Ideen, Perspektiven und Innovationen, was insgesamt zu einem dynamischeren und stärkeren sozialen System beiträgt. Auch wirtschaftlich bringt eine größere Vielfalt von Branchen, Unternehmenstypen und Geschäftsmodellen mehr Stabilität. Bricht eine Branche ein, können andere diese Lücke rasch wieder füllen, Arbeitskräfte beschäftigen und vieles mehr. Arbeits- und Organisationsteams sollten immer auf die Vielfalt von Fähigkeiten, Erfahrungen und Perspektiven bei ihren Mitarbeitern achten, um sich besser an geänderte Bedingungen und Anforderungen anpassen zu können. Je vielfältiger ein Team, umso kreativer und innovativer ist es.

Vielfalt sorgt in einem System für eine Überfülle von Möglichkeiten zum Erreichen von Zielen, für Resilienz, Kreativität und Dynamik.

Zusammengefasst sorgt die Vielfalt in einem System für Redundanz, das heißt, eine quasi Überfülle von Möglichkeiten und Wegen zum Erreichen von Zielen; für Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber Misserfolgen, Veränderungen und Störungen aller Art; für Kreativität; für Dynamik; für Innovation. Wäre demnach nicht Vielfalt genau die Lösung für all unsere derzeitigen ökologischen und gesellschaftlichen Krisen? Ja! Jedoch unter der Voraussetzung, dass es eine Einheit in der Vielfalt gibt.

Wozu braucht es Einheit?

Alle genannten Vorteile von Vielfalt entfalten ihre Wirksamkeit in dem Maße, wie sie untereinander Verbindungen haben, die auf Einheit ausgerichtet sind. Bei Ökosystemen ist dies nach heutigem Erkenntnisstand naturgegeben. Jedes Wesen der Natur ist einerseits eine vielfältige Einheit für sich und andererseits ein Teil einer größeren Vielfalt, die wiederum eine Einheit bildet, wie zum Beispiel ein Baum innerhalb eines Waldes. Diesbezüglich spricht man heue vom Wood Wide Web, eine Art Internet des Waldes, wo Bäume über ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem miteinander sprechen. Sowohl Baumkrone und Wurzelspitze stehen in permanentem Austausch, beispielsweise über das Vorhandensein von ausreichendenNährstoffen, als auch die Bäume untereinander stehen über Pilzgeflechte in Verbindung. Auch über die Luft wird mittels Duftstoffen kommuniziert, um sich beispielsweise gegenseitig vor Schädlingen zu warnen.

Prinzipiell liegt es auch in der Natur des Menschen, das Verhältnis von Einheit und Vielfalt im Sinne einer höheren Überlebenschance und Anpassungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Jedoch zeigt die Geschichte, wie dieses Verhältnis von Zeit zu Zeit verkümmert. Die Folge sind die Überhöhung einzelner Individuen (Stolz, Narzissmus, Machtrausch), kulturelle Ausgrenzungen aller Art, Massengesellschaften und Totalitarismus. Der große französische Soziologe und Denker Edgar Morin (übrigens derzeit schon in seinem 103. Lebensjahr)schreibt dazu, dass es in diesen Zeiten immer zu Extremen kommt: „Jene, die die Verschiedenheit der Kulturen sehen, neigen dazu, die menschliche Einheit zu minimieren oder auszublenden. Jene, die die menschliche Einheit sehen, neigen dazu, die Verschiedenheit der Kulturen als sekundär zu betrachten. Angemessen ist es dagegen, eine Einheit zu begreifen, die Verschiedenheit gewährleistet und begünstigt, und eine Verschiedenheit, die sich in eine Einheit einfügt.“

Natur, Mensch und Gesellschaft erkennt man heute als komplexe Systeme. Complexusbedeutet das Zusammengewebte. Verschiedene Elemente bilden ein voneinander untrennbares Ganzes. Die Komplexität ist demnach das Band zwischen der Einheit und der Vielfalt. Einheit und Vielfalt schließen sich also nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander. Wir müssten uns in unserer gemeinsamen Menschlichkeit anerkennen und zugleich die kulturelle Verschiedenheit wertzuschätzen und zu nützen wissen. In den Worten Morins: „Der Schatz der Menschheit liegt in ihrer kreativen Vielfalt, aber die Quelle ihrer Kreativität liegt in ihrer generativen Einheit.“

Warum ist dies so schwierig?

Im Buddhismus erklären die sogenannten Nidanas die Komplexität der Existenz. Die Wurzel allen Übels liegt dabei in der Unwissenheit. Übertragen auf unser Thema ist Unwissenheit mit Sicherheit eine Hauptschwierigkeit. Die Unwissenheit bezüglich der unterschiedlichen mentalen Strukturen bei Mann und Frau – naturgegeben oder sozial bedingt, ist dabei egal – führen zu Verständnisschwierigkeiten in Beziehungen. Statt Ergänzung und Harmonie der Gegensätze gibt es Widerspruch und Streit. Auf kollektiver Ebene gibt es Unwissenheit gegenüber anderen Riten und Gebräuchen. Vielleicht haben Sie sich schon einmal über das selbstverständliche Schlürfen eines Japaners beim Nudelessen gewundert. Oder einen Japaner beleidigt, indem sie ihm im Gespräch in die Augen geschaut haben. Dass wir einen Moslem durch Verhöhnung des Propheten im Innersten kränken, ist für einen säkularisierten westlichen Menschen, dem nichts mehr heilig ist, schlicht unverständlich.

Damit jedoch Unwissenheit und gegenseitiges Unverständnis zu offener Feindschaft und sogar gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, braucht es mehr. Da ist zunächst der Egozentrismus. Egozentrismus hat die Selbsttäuschung zur Folge. Man rechtfertigt und verherrlicht sich selbst und wälzt die Ursache allen Übels auf andere ab. Egozentrismus bedeutet auch fehlender Abstand von sich selbst und damit fehlende Selbstkritik. Wer aber gegenüber seinen eigenen Fehlern und Schwächen blind ist, ist im selben Maße unbarmherzig gegenüber den Fehlern und Schwächen der anderen. Auf kollektiver Ebene führen Ethno- und Soziozentrismus zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismen. Auch hier werden die anderen zu Schuldigen, man begegnet den anderen mit Arroganz und Verachtung. Eine Einheit in der Vielfalt wird dadurch verunmöglicht.

Weiters verhindern reduktionistische und dualistische Denkweisen das gegenseitige Verständnis und damit die Einheit in der Vielfalt. Dualistische Ansätze machen aus Verschiedenheiten unvereinbare Gegensätze, die Welt wird als ein Kampf zwischen konträren Kräften verstanden: Der Westen gegen den Osten oder gegen den globalen Süden, die Schwarzen gegen die Weißen, Männer gegen Frauen, rechts gegen links, arm gegen reich, Impfgegner gegen Impfbefürworter. Reduktionistische Ansätze vereinfachen jede Vielfalt. Eine vielfältige Persönlichkeit wird auf einen Charakterzug reduziert. Beispielsweise blenden Trump-Fans alle negativen und Trump-Gegner alle positiven Aspekte aus. Dadurch kommt es zu einem regelrechten Besessen-Sein von einer Person, einer Idee, einem Glauben, was wiederum das Verständnis einer anderen Person, einer anderen Idee oder eines anderen Glaubens verunmöglicht.

All diese Hindernisse stammen aus einer Form von niederem, kalkulierendem, auf den eigenen Vorteil und die eigenen Wünsche ausgerichtetem Denken. Welcher Art wäre dann das Denken, das die Gegensätze harmonisiert und zu einer Einheit in der Vielfalt führt?

Neu denken lernen

In den fernöstlichen Schulen sprach man im Zusammenhang mit dem niederen Denken vom „Irrwahn des Getrenntseins“. Um zu einer höheren Ein-Sicht und damit zu einem Verständnis von Einheit in der Vielfalt zu kommen, wurde der Schwerpunkt auf Mitgefühl und Achtsamkeit gegenüber allen Wesen gelegt. Man erlangt dadurch ein Verständnis, das frei von gegenseitiger Erwartung ist. Man versteht selbst den Besessenen, der unfähig ist zu verstehen. Man versteht den Impfgegner und den Impfbefürworter, den Trump-Verehrer und den Trump-Gegner, den Russen und den Ukrainer, den Migranten und den Fremdenhasser. Nach Edgar Morin verlangt echtes Verstehen eine große Anstrengung, denn sie verlangt, auch die Verständnislosigkeit zu verstehen.

An die Stelle der Trennung tritt die Verbindung.
Nicht, was stört mich am anderen, sondern was schätze ich an ihm.

In den großen westlichen philosophischen Schulen, bei Platon und bei Aristoteles, liegt der Vielfalt der Erscheinungen eine Einheit zugrunde. In der Spätantike, insbesondere im Neuplatonismus, zeigte sich eine eklektische Haltung. Es ist die Fähigkeit, aus den unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Dingen das jeweils Beste auszuwählen. Auch im frühen Christentum findet sich diese Haltung in der Devise von Paulus: „Prüft alles und behaltet das Gute.“ Dies erfordert ein höheres Denken, ein Denken aus der Vogelperspektive. Ein Denken, das nicht reduziert, sondern inkludiert. Hier stehen sich die Gegensätze nicht feindselig gegenüber, sie verbinden sich in einer Harmonie des Gegensatzes. DieInternationalität und Nationalität stehen sich nicht feindselig gegenüber, sondern im Bewusstsein der heimatlichen Werte, Qualitäten und Schönheiten sieht man sich selbst als Teil des Heimatlandes Erde. Der Norden, der Technik und Wirtschaft hoch entwickelt, aber viel an Lebensqualität verloren hat, schätzt den Süden, der die Lebensqualitäten noch pflegt. Und umgekehrt. An die Stelle der Trennung tritt die Verbindung. Nicht, was stört mich am anderen, sondern was schätze ich an ihm. Nicht, was trennt mich vom anderen, sondern was haben wir gemeinsam.

Nach Edgar Morin braucht es dafür eine Erziehung der Zukunft. Eine Erziehung, die die menschliche Einheit rettet, und die zugleich die menschliche Vielfalt rettet. Eine Erziehung, die die Komplexität des Menschen versteht: den vernünftigen und den ekstatischen, den arbeitenden und den spielenden, den kriegerischen und den friedliebenden, den sparsamen und den verschwenderischen, den rationalen und den magischen. Unsere Zukunft ist neu zu denken. Albert Einstein werden dazu folgende Worte zugeschrieben: „Tun wir nicht so, als ob sich die Dinge ändern würden, wenn wir immer das Gleiche tun.“

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Jahrhundertelang haben wir die Natur und Mutter Erde als Rohstofflager betrachtet. Heute ist der „große Wandel“ zu einem neuen Natur- und Weltverständnis in vollem Gange – fast unbemerkt von den Mainstream-Medien. Inspiriert wird dieser Wandel von alten Weisheitstraditionen, dem Beispiel indigener Kulturen und aktuellen, wissenschaftlichen Erkenntnissen. Jeder Einzelne kann zum Mitgestalter werden.

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Descartes und Newton schufen das Maschinenbild des Lebensim 17. Jahrhundert. Descartes behauptete, dass einzig der Mensch eine Seele in Form seines Geistes hat. Der Natur sowie Tieren und Pflanzen sprach er die Seele ab. Noch heute betrachten wir westliche Menschen die Erde und ihre Lebewesen als Ressourcen, die wir nach Belieben nutzen oder ausbeuten. Unser Verhältnis zur Natur ist geprägt von Kampf und Unterwerfung, denn Darwins Evolutionstheorie haben wir so interpretiert, dass nur die Stärksten überleben und sich durchsetzen.

Dabei vergessen wir: Sollten wir die Natur besiegen, gehören wir selbst zu den Besiegten. Derzeit verbrauchen wir global betrachtet jedes Jahr um 70 Prozent mehr Ressourcen als die Erde regeneriert. Der Living Planet Index, der die Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien erfasst, zeigt seit 1970 einen Rückgang der beobachteten Wildtierpopulationen um 69 Prozent.

130 bis 150 Pflanzen- und Tierarten sterben jeden Tag aus, weshalb wir uns heute im größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit vor 65 Millionen Jahren befinden. Dieser Verlust an Lebensvielfalt ist bedrohlich, da diese die Fähigkeit zum Ausbalancieren eines Ökosystems steigert. Je geringer die Biodiversität hingegen ist, umso mehr verringern Ökosysteme beziehungsweise auch die Erde als Ganzes diese Fähigkeit und es steigt die Gefahr eines Kollapses ganzer Ökosysteme. Als der Begründer der Gaia-Theorie, James Lovelock, bei einer Diskussion gefragt wurde, wie Gaia also das Gesamtökosystem Erde denn am Ende des 21. Jahrhunderts mit dann zehn oder zwölf Milliarden Menschen funktionieren werde, antwortete er nicht, dass Menschen dann ökologischer würden leben müssen. Er sprach auch nicht von neuen Technologien oder Arten des Wirtschaftens. Er sagte, am Ende des Jahrhunderts würden wohl eher nur noch etwaeine Milliarde Menschen auf der Erde leben.

Was brauchen wir für die Wende?

Die Fokussierung auf die Themen Klima und Erderwärmung wird von einigen Ökologen heute als Fehler betrachtet.

Denn dadurch leben viele Menschen in der Annahme, dass wir die Krise bewältigen können, indem wir den CO2-Ausstoß reduzieren. Es würde also genügen, E-Autos statt Autos mit Verbrennungsmotoren zu fahren und von fossilen auf regenerative Energien umzusteigen.

Eine Technologie durch eine andere zu ersetzen, ändert allerdings nichts an den Wurzeln des Problems, das sich im Artensterben ausdrückt. Wie Einstein sagte, können wir ein Problem nicht durch dieselbe Art des Denkens lösen, die es hervorbrachte. Und die Wurzel des Übels liegt wohl eher in dem Weltbild, dass wir von Descartes, Newton & Co geerbt haben: uns als Menschen getrennt von Natur und Mutter Erde zu fühlen.

Um das Problem an der Wurzel zu packen und die Ausbeutung der Natur zu beenden, fordern Stephan Harding und andere Wissenschaftler eine Lebensphilosophie, mit der wir die Erde und jedes Lebewesen als beseelt wahrnehmen. Der Begründer der Tiefenökologie, Arne Næss, sprach davon, dass jedes Lebewesen einen intrinsischen Wert hat und nicht auf den Wert reduziert werden darf, den wir Menschen ihm als Ressource beimessen.

Sich von der Natur berühren lassen und sie liebevoll berühren

Andreas Weber fordert in diesem Sinne eine „erotische“Ökologie. Wie können wir uns von der Natur wieder berühren lassen und lernen, sie liebevoll zu berühren? Das mechanistische Weltbild und die seit der Aufklärung einseitig betonte Rationalität und Logik haben unsere Sinneswahrnehmungen, das Bewusstsein unserer Gefühle sowie unserer Empathie verkümmern lassen. Die Natur wird hauptsächlich in Laboren und mit quantitativen Methoden untersucht und den Kindern in Klassenzimmern mit sterilen Schulbüchern oder Filmen nahegebracht.

Welche anderen sinnlichen Erfahrungen und Gefühle ermöglichen uns hingegen ein Waldspaziergang, die aufmerksame Betrachtung einer Blumenwiese oder einer einzelnen Blume, das Lauschen des Konzerts der Vögel vor dem Sonnenaufgang oder im nächtlichen Sternenhimmel zu versinken? Welch andere Erlebnisse ermöglicht uns die gemeinsame körperliche Arbeit mit anderen Menschen in einem Permakulturgarten?

Lernen, sich als Teil von Mutter Erde zu empfinden

Stephan Harding schlägt konkrete Methoden vor, wie wir uns mehr mit Mutter Erde verbinden können. So kann sich jeder einen Gaia-Platz in möglichst wilder Natur suchen, den er regelmäßig aufsucht, um sich mit der Seele dieses Ortes, dendort vorhandenen Pflanzen, Tieren und Steinen und mit der Seele der Erde zu verbinden. Oder man kann sich vorstellen, dass wir nicht „auf“ der Erde gehen, sondern „in“ der Erde:denn die Atmosphäre ist ein Teil des Lebewesens Erde.

Wir sind kein Subjekt, das distanziert der Natur gegenübersteht, sondern wir sind selbst ein Teil dieser Natur.

Aus Sicht der Gaia-Theorie sind wir so etwas wie Körperzellen im Lebewesen Erde: Wir haben einen gewissen Grad anAutonomie, aber wir unterliegen auch gewissen Begrenzungen, Naturgesetzen, in die wir uns harmonisch einfügen sollten und auch müssen. Die Erde als Ganzes umfängt uns wie eine Mutter, indem sie uns ihre nährende Substanz für unsere Körper zur Verfügung stellt, uns mit Milliarden von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismenumgibt, die außerhalb und zum Teil in uns und mit uns zusammenleben.

Welche Geschichte bestimmt Ihr Leben?

Nach Joanna Macy und Chris Johnstone gibt es heute drei Erzählungen, wie wir die Welt interpretieren und den Ereignissen Sinn verleihen können. Und es ist unsere freie Wahl, welche Geschichte wir wählen. Die erste Geschichte nennen sie „Business as usual“. Sie fokussiert auf die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen, die unser Leben erleichtern und ist die „Erfolgsgeschichte“ der Moderne. Bei dieser Einstellung zum Leben werden die Probleme der Welt entweder als weit weg oder völlig irrelevant für unser persönliches Leben eingestuft. Die zweite Geschichte, die wir wählen können, ist „der fortschreitende Zerfallsprozess“. Vertreter dieser Geschichte sehen und akzeptieren den Niedergang im wirtschaftlichen Bereich, die Ressourcenerschöpfung, den Klimawandel, das Massensterben der Arten sowie soziale Spaltung und Krieg. Und sie nehmen resigniert an, dass der Prozess schon so weit fortgeschritten ist, dass der Punkt einer Umkehr unmöglich ist. Beide Geschichten führen in ihrem Ergebnis zu keiner Veränderung, denn während in Business as usual die Probleme nebensächlich sind und vermutet wird, dass wir sie durch noch bessere Technologie bald in den Griff bekommen, bringt es in der zweiten Geschichte nichts mehr, sich zu verändern.

Die dritte Geschichte ist „der Große Wandel“. Sie bezeichnet den Übergang der zum Scheitern verurteilten Wirtschaft der industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer das Leben erhaltenden Gesellschaft, mit der wir die Selbstheilungskräfte der Erde unterstützen. Diese „ökologische Revolution“ ist das entscheidende Abenteuer unserer Zeit und dieser Prozess ist bereits in vollem Gange.

Der große Wandel findet gerade statt

Heute erleben wir zahlreiche Menschen und Bewegungen, die sich um nachhaltige und lebenserhaltende Lebens- und Wirtschaftsweisen sowie um Verbundenheit bemühen. Der Ökologe Paul Hawken spricht in seinem Buch Wir sind der Wandel von weltweit mehr als ein oder zwei Millionen Bewegungen, die sich für ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Film-Dokus wie „Tomorrow“, „En quête de sens Die Suche nach Sinn“ oder „Code of Survival“ erzählen Geschichten von Menschen, die dabei sind, diese neue Philosophie zu entwickeln und zu leben. Auch auf YouTube findet man unzählige Beiträge von Menschen, die degradierte Gärten und Felder in fruchtbare Naturoasenverwandeln, welche im Einklang mit der Natur Nahrungsmittel fast im Überfluss produzieren.

Drei Formen, den Wandel zu gestalten

Nach Macy und Johnstone gibt es drei Dimensionen des Großen Wandels, die gleichzeitig drei Möglichkeiten des Engagements darstellen.

Zum einen sind dies „Protestaktionen“, mit denen versucht wird, Leben, Arten oder Ökosysteme zu retten. Kampagnen, Petitionen, Boykotte, Kundgebungen und direkte Aktionen haben in diesem Bereich schon zu vielen wichtigen Siegen geführt. Da es aber nicht reicht, der Zerstörung Einhalt zu gebieten, braucht es eine weitere Dimension: „Lebenserhaltende Systeme und Handlungsweisen“. Hier geht es um nachhaltige Landwirtschaft, Permakultur, Fair-Trade-Initiativen, Gemeinwohlökonomie, grünes Bauen: Diese und viele andere Maßnahmen tragen zum Patchwork einer das Leben fördernden Gesellschaft bei. Durch unsere Entscheidungen, wo und was wir einkaufen, wie wir arbeiten und wohnen, können wir die Entwicklung nachhaltiger Lebensformenfördern.

All das wird jedoch für sich nicht reichen: Denn diese neuen Strukturen werden sich nicht verankern ohne tief verwurzelte Werte, die sie aufrechterhalten.

Dafür braucht es die dritte Dimension: „Bewusstseinsveränderung“. Sie erwächst aus Veränderungen in unserem Herzen, unseren Köpfen und unserer Einstellung zur Wirklichkeit. Dazu gehören Weisheiten und Handlungsweisen aus den spirituellen Traditionen der Menschheit, die vielfach auf einer Linie mit revolutionären neuen Erkenntnissen der Wissenschaft wie jenen der Gaia-Theorie liegen.

Aus der Quantenphysik und der Systemtheorie hat sich ein ganzheitliches wissenschaftliches Paradigmaentwickelt, das eine neue Sicht auf das Leben und auf die Evolution bietet, getragen von einem Verständnis der Vernetzt- und Verbundenheit.

Wir selbst sind der Schlüssel

Gleichzeitig erleben wir heute in vielen Bereichen die Geburt einer neuen praktischen und spirituellen Philosophie, die dem Menschen dabei hilft, sich ganzheitlich zu entfalten. Der Philosoph Jorge Angel Livraga bezeichnet als entscheidenden Schlüssel zu einer nachhaltigen und naturverbundenen Gesellschaft den Menschen selbst. Er gründete die Organisation Neue Akropolis, die heute in etwa 50 Ländern weltweit Menschen in den Bereichen Philosophie, Kultur und Volunteering ausbildet. Der Kontakt mit den Weisheitslehren aller Kulturen erlaubt den Menschen, sich mit ihrer inneren Weisheit zu verbinden, um sich selbst dann in einen weiseren und besseren Menschen zu transformieren. Ausgehend von der eigenen Veränderung kann er ein harmonischeres Zusammenleben mit anderen sowie der Natur mitgestalten.

Das Ausmaß des heute vonstattengehenden Wandels wird von vielen nicht bemerkt, da die von Paul Hawken erwähntenMillionen von Menschen und Bewegungen nicht im Fokus der Medienberichterstattung stehen. Aber auch wenn von ihnenwenig zu hören ist, so ist es doch meine persönliche Ansicht, dass ihnen die Zukunft gehören wird. Gemäß dem tibetischen Weisheitsspruch:

Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst.

Literaturhinweis:
David Abram, Im Bann der sinnlichen Natur, thinkOya Verlag,2012
Stephan Harding, Lebendige Erde, Hugendubel Verlag, 2008
Joanna Macy, Chris Johnstone, Hoffnung durch Handeln, Junfermann Verlag, 2014
Andreas Weber, Lebendigkeit: Eine Erotische Ökologie, Kösel Verlag, 2014
Jorge Angel Livraga, Wichtiger als neue Schuhe sind die Menschen, die damit gehen, Abenteuer Philosohie Nr. 145

HERIBERT HOLZINGER ist Autor, Vortragender und Seminarleiter im Bereich der praktischen Philosophie, der Lebenskompetenzförderung und der Prävention. In den 2000-er Jahren war er Mitinitiator von GEA Aktive Ökologie – in Österreich. Wie Stephan Harding denkt er, dass wir die ökologische Krise nur lösen können, wenn wir lernen, alles als beseelt wahrzunehmen und Dankbarkeit gegenüber unserer Mutter Erde zu entwickeln.

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