144 Archive • Abenteuer Philosophie Magazin https://www.abenteuer-philosophie.com/tag/144/ Magazin für praktische Philosophie Mon, 17 Dec 2018 15:38:52 +0000 de hourly 1 Vor allem, sei gut! https://www.abenteuer-philosophie.com/von-der-kunst-seine-potenziale-zu-entwickeln/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=von-der-kunst-seine-potenziale-zu-entwickeln https://www.abenteuer-philosophie.com/von-der-kunst-seine-potenziale-zu-entwickeln/#respond Fri, 25 May 2018 10:08:26 +0000 https://www.abenteuer-philosophie.com/?p=1293 Magazin Abenteuer Philosophie

Der Satz „Vor allem sei gut!“hat mich immer fasziniert. Ich habe gehört, es sei ein Satz aus den Mysterien. Das hat ihn mir noch geheimnisvoller erscheinen lassen. Was mich dann immer und immer wieder beschäftigt hat, war die Doppeldeutigkeit des Begriffes „gut«.

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Einerseits hat „gut sein“ eine ethische Dimension, die bedeutet, nicht zu töten oder zu verletzen, die Grenzen von anderen zu akzeptieren und nicht etwas zu wollen, das einem nicht gehört etc. Und andererseits bedeutet „gut sein“ auch besondere Fähigkeiten, „skills“, zu haben. Aber Fähigkeiten erscheinen nicht aus dem Nichts. Somit gilt: „Gut sein“ beruht vor allem auf der Fähigkeit, besser zu werden!

Wir wollen alle besser sein. In einem Managementseminar habe ich einmal einen anderen Satz aufgeschnappt: „Wenn jemand 15 – 20 Jahre lang konsequent eine Fähigkeit übt, dann kann er sie wirklich gut.“Der Satz stimmt, aber wo führt er hin? Wir können es sehr gut an Sportlern ersehen. Wer 15 Jahre eine Sportart übt, der kann sie wirklich gut. Es ist aber nicht sicher, ob man es trotz dieser Anstrengung bis zu den höchsten Stufen des Sports schafft. Für wirkliche Spitzenleistungen sind besonderes Talent, Verletzungsfreiheit und ein passendes Umfeld notwendig.

Was ist nun mit der ethischen Komponente? Auch hier ist sie wichtig. Wir erkennen auch an Sportlern, dass ihr Ruf nicht nur von ihren Leistungen, sondern auch von Fairness, dem Umgang mit Menschen und von ihrer Reaktion in Krisen und bei Niederlagen abhängt. So kann man – mit Glück – nahezu unsterblich werden.

Wie wird man unsterblich?

Hier geben uns die Mythen und Sagen interessante Hinweise. Die perfekten Helden haben jedenfalls beide Aspekte des „Gut-Seins«. Zunächst außergewöhnliche Fähigkeiten, wobei hier vielfach Kraft, Geschicklichkeit und Schlauheit zusammenspielen. Es ist ja nicht so leicht, einen „Drachen“ oder „Löwen“ zu töten. Und wie ist es mit der ethischen Komponente? Diese Helden der Mythen und Sagen setzen ihr Leben ein. Warum tun sie es?

Zunächst haben sie ihre Fähigkeiten, und es reizt sie, diese Fähigkeiten an schwierigen Aufgaben zu erproben. In vielen Mythen ist es die Liebe, die die Helden antreibt. In Griechenland heißt der Held „Heros«. Hier ist „Eros«, der Gott der Liebe, schon im Namen enthalten. Ein Held ist somit jemand, der eine sehr schwierige Aufgabe löst, die aber notwendig und recht ist und hilfreich für eine bedrängte Gemeinschaft. Durch diese Aufgabe verwandelt er sich in ein göttliches Wesen.
Wir sind noch nicht dort, aber was können wir davon übernehmen, um unsere eigenen Potenziale zu entwickeln?

Das Kniffligste: Die richtige Aufgabe finden

Der Beginn ist nicht nur schwierig, weil man weiß, dass man die Komfortzone verlassen muss. Es kann sehr lange dauern, bis man jene Aufgabe für sein Leben finden, bei der sowohl das Bewusstsein als auch die unbewussten Kräfte des Menschen einer Meinung sind. Wenn nur ein Teil des Wesens auf ein großes Ziel zustrebt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, das Ziel auch zu erreichen, gering. Möglicherweise ist dies ein Grund, warum sich so wenige Menschen große Ziele zutrauen.

Wenn man das rechte Ziel erkennen will, muss man seine Potenziale, Fähigkeiten, seine spezifische Stärke und Eigenart erkennen oder zumindest erahnen, denn diese sind üblicherweise noch nicht voll entwickelt.

Kleine und damit erreichbare Ziele können dabei den Weg zur eigentlichen Aufgabe des Lebens sogar verstellen. Manches Ziel kann so groß sein, dass jemand von einem „Herzenswunsch“ träumt, aber lange Zeit nicht erkennt, dass er das wahre Ziel ist.

Es gibt auch die Möglichkeit, dass von einer höheren Warte Weichen gestellt werden. So können Entscheidungen aus welchen Gründen auch immer fallen und man erkennt dann erst viel später ihre übergeordnete Richtigkeit.

„Vor allem sei gut!“ Dies war die Devise. Es genügt nämlich nicht ein großes Ziel anzustreben, das große Fähigkeiten benötigt bzw. entwickelt. Das Ziel muss auch eine ethische Qualität besitzen. Hier können „große Ziele“ auch verführen und man wirft seine Skrupel weg. Dann kann ein Leben in die falsche Richtung gehen und trotz großer  (Schein)erfolge scheitern. Mit einer Entscheidung gegen ein ethisch einwandfreies Leben wird man kein tiefes inneres Glück empfinden.

Das Schwierigste: Durchhalten

Große Ziele sind schwierig zu erreichen. Darum sind sie auch erstrebenswert und trotzdem werden sie nicht von vielen Menschen angestrebt. Wenn man begonnen hat, und es erscheinen Hürden, dann benötigt man außergewöhnliche Fähigkeiten, die man nun rasch entwickeln muss. Man kann es aber auch als Vorteil ansehen, denn die Anstrengung, sich diese Fähigkeiten anzueignen, macht man üblicherweise nur, wenn es eng wird, wenn man Druck hat. Dies ist auch einer der Gründe, warum fordernde Ausbildungssysteme zumindest starken Menschen sehr helfen.

Durchhalten hat mit einem großen Glauben an sich selbst zu tun!

Auch beim Durchhalten hat die ethische Komponente eine wichtige Rolle. Gerade in Schwierigkeiten, kann man Prinzipien fallen lassen, die dann in der Folge nicht nur den Erfolg in einem schlechten Licht erscheinen lassen, sondern vielfach das Scheitern auslösen.

Durchhalten ist auch eine Kunst. Durchhalten kann sogar erfordern, das Ziel für die richtigen Prinzipien zu opfern. Dann wird der Weg zum Ziel. Der Weg erhält dann die Würde, die ihn als Beispiel überdauern lässt. Man denke dabei an Sokrates, der sein Todesurteil annahm, das Angebot zur Flucht ausschlug, und durch seinen würdevollen Tod „unsterblich“ wurde.

Durchhalten heißt noch flexibel sein. Wenn ein Weg nicht gangbar ist, dann muss man einen neuen suchen. Man kann dann einen Lösungsversuch aufgeben, aber das Ziel noch immer „im Hinterkopf“ haben. Es sieht möglicherweise nach einem Scheitern aus, aber solange man das Ziel nicht vergisst und Chancen erkennt und durch konsequentes Handeln nicht vorbeiziehen lässt, ist man nicht gescheitert.

Durchhalten heißt auch, ein Ziel wieder loslassen können. Nicht jedes Ziel ist erreichbar. Loslassen heißt, weder zu flüchten, noch sich völlig zu verkrampfen und zu verbeißen. Auch in diesem Aspekt steckt Würde, eine wichtige Eigenschaft für Helden.

Das Spannendste: Die konkreten Hürden

Große Ziele und Aufgaben benötigen oft ganz spezielle Fähigkeiten, die zu entwickeln sind. Jedes Projekt hat seine ihm eigenen Hürden. Die auftretenden Hindernisse haben üblicherweise zwei grundsätzliche Ursachen: Erstens besondere Anforderungen der Aufgabe und zweitens, allfällige Schwächen des Durchführenden. Daraus ergibt sich: Überwindung ist gefordert und natürlich auch Kreativität.

Hürden sind dazu da, um überwunden zu werden. Um eine Hürde überwindbarer zu machen, sollte man sie nicht als äußeres Problem sehen, sondern als eigene Probe, an der man wachsen kann. „Probleme“ lösen Stress aus, „Proben“ lassen Energien sammeln. Überwundene „Probleme“ lösen, auch wenn man sich nur daran erinnert, noch Stress aus. Überwundene „Proben“ heben das Selbstbewusstsein und die innere Ruhe. Dies ist eine große Hilfe in zukünftigen schwierigen Situationen.

Wer die „Probleme“ nur von außen hereinstürzend wahrnimmt, der unternimmt keine Anstrengungen, sich selbst zu verbessern, sondern fühlt sich nur als Opfer. Wer „Proben“ wahrnimmt, übernimmt Verantwortung und transformiert sich. Er empfindet sich als „Herr über das Schicksal«.

„Vor allem sei gut!“als Transformations- und Führungswerkzeug

Einfache Haltungsänderungen verändern somit viel. Das Programm „Vor allem sei gut!“ist ein Transformationswerkzeug für jeden einzelnen Menschen, aber wieviel wirksamer wird dieses Motto, wenn es gelingt eine Gruppe oder eine Organisation mittels dieses Mottos zu vereinen und effektiver zu machen. Wenn die Idee einer nachhaltigen Selbstverbesserung und eines hohen ethischen Programms eine Gruppe oder gar eine Gesellschaft eint, dann ist wirklich Großes zu erwarten. Eine solche Gemeinschaft ist stark und erweckt wegen ihrer ethischen Entwicklungshöhe berechtigt Vertrauen.

* * *

Zusammenfassend gilt: Das Knifflige ist die Suche nach der Aufgabe. Der Mensch träumt, sucht, grübelt, probiert, irrt und zweifelt. Von außen merkt man davon nicht viel. Wer würde auch vermuten, dass da jemand das Potenzial hat, vielleicht einmal einen „Drachen“ zu erlegen. Wenn wir es aber gut  machen, brauchen wir niemals klagen, unseren Traum nicht gelebt zu haben.

Beim Entwickeln der Potenziale brauchen wir Durchhaltevermögen. Je bewusster jemand in dieser Phase vorgeht, desto wahrscheinlicher ist das Durchkommen.

Dann brauchen wir nur mehr die großen Taten vollbringen. Wirklich groß werden sie wegen der Hürden, Schwierigkeiten und Proben, die auf dem Weg zum Ziel überwunden werden müssen. Das erfordert Arbeit, Konzentration und etwas Überwindung. Da das Ziel aber schon klar vor uns liegt, ist es nur eine Frage der Zeit, das Ziel auch zu erreichen.

„Vor allem sei gut!“  ist also ein Programm, Potenziale in einem umfassenden Sinne zu erkennen und zu entwickeln.

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„Läge im Herzen des Menschen nichts Moralisches, woher käme ihm die begeisterte Bewunderung heldenhafter Taten, die liebende Hinwendung zu den großen Seelen, der Enthusiasmus für die Tugend?“ Jean-Jacques Rousseau

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Jeder Mensch kann ein Held sein! Ein Held ist eine Person, die eine besondere, über die normalen menschlichen Grenzen hinausgehende Tat vollbringt. Heldenhaft zu handeln bedeutet vor allem die Selbstüberwindung, nach Prinzipien zu handeln, etwas Gutes zu tun und etwas zu riskieren. Ein Held kämpft für eine gute Sache. Er handelt nicht nur um seinetwillen, sondern auch aus Liebe zu den anderen. Er will sich selbst und auch die Welt zum Besseren verändern. Er kämpft gegen Ungerechtigkeit und hilft anderen.

Der Held zeigt uns, dass das scheinbar Unmögliche möglich ist. Das erfordert Intelligenz, Mut und Bereitschaft zum Risiko. Ein Held ist jemand, der sich durch Tugenden auszeichnet.

Heutzutage aber ist unmoralisches Handeln fast schon zur Tugend geworden. So geht Susan Neiman in ihrem Buch „Moralische Klarheit“ der Frage nach: Wann und warum ist Moral zum Schimpfwort geworden? Tugend bedeutet heute nicht mehr, sich zu fragen, was man für die Welt getan, sondern was einem die Welt angetan hat. Wir sehen uns als Opfer der Umstände und Ungerechtigkeiten. Heute spricht man mehr über Opfer als über Helden. Es ist notwendig, zu hinterfragen, warum heute die Opferhaltung das Heldenhafte verdrängt hat. Diese Veränderung ist fatal, denn der Held inspiriert uns, moralisch zu handeln.

Beispiele für das Böse finden sich heutzutage viele: IS-Terrorismus und andere Selbstmordattentäter haben schon unzählige Opfer gefordert und verbreiten Angst und Ohnmacht. Es gibt weltweit 30 Millionen Sklaven (auch in Europa z. B. 10.000 Sklaven in Deutschland) und Menschen, die sich in Gewalt von Kriminellen befinden und ausgebeutet und missbraucht werden. Nach Schätzungen der UN werden 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Buben zur Prostitution und Pornografie gezwungen. Die aus Profitdenken resultierende Umweltzerstörung erscheint dagegen als kleineres Übel und ist doch ein großes, bis heute ungelöstes Problem für die Menschheit. All dies zeigt das Ungleichgewicht, das in unserer Welt herrscht. Die Welt ist voller Ungerechtigkeit und es gibt eine große Kluft zwischen der Welt, so wie sie ist und wie sie sein sollte und könnte. Helden zeigen uns, wie wir diese Kluft zumindest verkleinern können. Menschen, die gegen die Ungerechtigkeit kämpfen, inspirieren und ermutigen uns, ähnlich zu handeln. So können wir sagen: Moralisches Handeln ist heldenhaft!

Heute versucht man gern, Ziele ohne Anstrengung zu erreichen. Heldenhaft leben bedeutet, Opfer zu bringen und Risiko einzugehen. Heldenhaft handeln bedeutet auch, für seine Überzeugungen Nachteile in Kauf zu nehmen, z. B. die Karriere aufs Spiel zu setzen. Oder sich zwischen humanistischen Idealen und einem „normalen“ Leben zu entscheiden. So hat zum Beispiel die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ihr Leben dem Kampf für die Freiheit der Menschen in Burma gewidmet, statt zu ihrer Familie nach England zurückzukehren, um dort ein bequemes Leben zu führen.

Gibt es heute noch Helden?

Susan Neiman erklärt, dass das Wort „Held“ heute inflationär verwendet wird. Jeder Sportler, Filmstar oder Popstar wird als Held bezeichnet und verehrt. Sie können uns vielleicht ein Beispiel dafür sein, was wir in unserem Leben erreichen können, aber sie sind keine Helden.

Menschen die Gewalt anwenden und Unschuldige töten, wie z.B. Selbstmordattentäter, Terroristen und IS-Soldaten sind erst recht keine Helden, auch wenn sie sich selbst als solche sehen. Sie sind laut Neimann von einem verfehlten Idealismus geleitet, Sie fordert eindringlich: „Wir dürfen unsere stärksten Begriffe wie Held, Ehre und Gut und Böse nicht denjenigen überlassen, die am meisten dazu neigen, sie zu missbrauchen. (…) Wir brauchen Menschen, die ohne den Einsatz von Waffen, ohne Gewalt zu Helden werden.“

Bei den Leinwandhelden sind es Figuren wie z. B. Vampire und Wehrwölfe, die „gut“ sind und enorme Fähigkeiten bis hin zur Unsterblichkeit besitzen oder Figuren wie Spiderman, der durch einen Spinnenbiss besondere Fähigkeiten erworben hat. Diese „Superhelden“ vermitteln zum einen das Bild, Held sein ist unerreichbar. Zum anderen lernen wir daraus scheinbar, dass die besonderen Fähigkeiten dem Helden von außen gegeben werden. Entspricht es nicht typisch menschlicher Bequemlichkeit, zu warten, bis die Kraft von außen kommt, ohne sich anstrengen zu müssen?

Wenn es heute echte Helden gibt, werden sie leider sehr schnell diskreditiert. Es scheint so, dass wir heute alle Menschen gleichmachen wollen und uns Helden dabei stören. Sobald sich jemand mit einer guten Tat auszeichnet, suchen und präsentieren die Medien sofort auch Unvollkommenheiten oder Fehler.

Warum haben wir Angst davor, Helden zu haben oder gar selbst Helden zu sein? Ist es uns unangenehm, dass manche Menschen mehr aus ihrem Leben gemacht haben als unsereiner in seiner lauen Bequemlichkeit? Oder haben wir Angst, nicht akzeptiert zu werden, wenn wir anders denken als der Mainstream und „altmodisch“ tugendhaft und moralisch handeln? Natürlich ist es auch einfacher, ein Opfer der Umstände zu sein als selbst Verantwortung zu übernehmen. Als Opfer können wir auf Verständnis, Mitgefühl und Unterstützung hoffen. Natürlich gibt es Menschen, die schwere Schicksalsschläge erleiden, z. B. Kriegsopfer, Flüchtlinge, Opfer von Naturkatastrophen etc. Aber auch hier werden Helden geboren, wenn man sich entscheidet, die Opferhaltung abzulegen und seine Handlungsmöglichkeiten beherzt wahrzunehmen. Ein Held ist zum Beispiel Viktor Frankl, der sich nicht durch die Umstände im Konzentrationslager aufgegeben hat und der den Mut und die Kraft hatte, trotzdem „Ja“ zum Leben zu sagen.

Wer ist ein Held?

Betrachten wie die Entwicklung des Heldenbegriffs. Im klassischen Altertum ist der Held das Kind eines Gottes/einer Göttin und eines Menschen. Er ist ein Wesen von doppelter Natur mit einem menschlichen und einem göttlichen Teil. Der menschliche Teil verleitet ihn, Fehler zu machen und auch zu leiden. Der göttliche Teil spornt ihn an, seine Kraft und Fähigkeiten zu verwenden, um großzügig und mutig zu sein und anderen zu helfen. So betrachtet, ist jeder Mensch ein potenzieller Held, da es in jedem  etwas Göttliches gibt. Derjenige, der sich dessen bewusst war und diesen göttlichen Teil in sich und seinem Leben aktivierte und große gute Taten vollbrachte, war ein Held. Das Wissen um ihre Unvollkommenheit hielt die Menschen des Altertums nicht davon ab, sich Helden zum Vorbild zu nehmen und ihnen nachzueifern.

Im Mittelalter verlor sich die Idee des Göttlichen im Menschen, aber es blieben Tugenden wie Großzügigkeit und Mut, die Menschen in Helden verwandelten. Es entstand das Bild des tapferen, bescheidenen und großzügigen Ritters, durch lange Übungen erprobt und viele Heldentaten bestätigt, der sich in den Dienst des Guten (z. B. für höhere Ideale, Schutz der Schwachen) stellte und Tugenden wie Treue, Ehre und Gerechtigkeit pflegte.

In unserer heutigen Zeit hat der Heldenbegriff eine Wendung erlebt. Mit der Französischen Revolution und noch mehr mit der industriellen Revolution gingen nicht nur die Werte Großzügigkeit und Mut verloren, der Begriff Held bekam auch eine negative Bedeutung: „Amerikaner hören das Wort (Held) und denken an Rambo, Deutsche hören das Wort und denken an Schlimmeres”, sagt Neiman. Diese Angst vor dem Wort Held oder heldenhaften charismatischen Politikern sei verständlich, andererseits auch ein Zeichen, dass man hier noch nicht frei ist. Die Veränderung des Heldenbegriffs führte zu einer Verniedlichung der wirklichen Bedeutung und Größe und machte diejenigen zu Helden, die am meisten Leid ertragen können.  „Statt mit unseren Mitmenschen zu wetteifern, wer der größere Held sein könnte, wetteifern wir darum, das größte Opfer zu sein.” Neimann schlägt vor, unsere passive Opfermentalität zu reduzieren und zu den ursprünglichen Modellen zurückzukehren, in dem der Held wieder die Bühne betreten darf und wo es wichtig ist, was wir für die Welt getan haben und nicht, was die Welt uns angetan hat.

Das Wort Held wurde manipuliert, um die Menschen unterwürfig und folgsam zu machen. Jeder Mensch neigt zu Bequemlichkeit, Sicherheit und Genuss. Diese Neigungen werden durch Regierungen und Institutionen, die uns Bürger gerne gefügig sehen und kontrollieren wollen, missbraucht. Unseren Hang zur Bequemlichkeit manipulierten sie, bis wir uns in angepasste und zufriedengestellte Konsumbürger verwandelt haben, unmündig und einfach zu beinflussen. So wird uns z. B. vermittelt, wir könnten uns Glück kaufen, wir könnten über die sozialen Netzwerke im Internet eine Vielzahl von „Freunden“ finden, uns gegen die Risiken des Lebens versichern usw. Kurz gesagt: Die gesellschaftlichen Strukturen geben uns die Illusion, alles sei bequem zugänglich und erreichbar ohne große Anstrengung. Und schon ist es nicht mehr erstrebenswert, die eigenen Grenzen zu überwinden, moralisch zu leben oder heldenhaft für eine bessere, gerechtere Welt aufzutreten und dafür notfalls auch sein Leben aufs Spiel zu setzen. Es ist einfacher, auf die Lösung von außen zu warten und dabei nichts zu riskieren. Und wie Neiman sagt: „Wenn man den Tod wählen muss, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen, werden die meisten es uns verzeihen, wenn wir zu Hause bleiben.”

Ein wahrer Held ist sich bewusst, dass es schwer ist, für seine Ideen und Ideale zu leben, sogar viel schwerer für sie zu leben, als für sie zu sterben – doch er ist bereit für beides.

Für mich sind die größten Helden Philosophen wie zum Beispiel Sokrates, Platon oder Immanuel Kant (um nur ein paar zu nennen), die den Menschen ermutigen, selbst zu denken, nach der Wahrheit zu suchen und moralisch zu handeln. Sie lehren uns, die wichtigste Frage zu stellen: Wie kann ich meinem Leben Sinn geben? Sie haben für ihre Überzeugungen sogar Tod und Verbannung nicht gescheut. Platon wurde von einem Tyrannen als Sklave verkauft. Sokrates wurde hingerichtet. Sein „Verbrechen“ war, dass er den Menschen beibrachte, ihren Lebenssinn zu hinterfragen und Tugenden zu leben.

Die tägliche Anstrengung, unsere Fähigkeiten zu entfalten, um uns in den Dienst der Menschheit und der Natur zu stellen, verwandelt uns in Helden. So kann jeder ein Held sein, wenn er heldenhafte Tugenden lebt wie Mut, Großzügigkeit, Gerechtigkeit, Liebe zu den Mitmenschen und dadurch aktiv an einer besseren Welt arbeitet.

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Aus dem Inhalt

philoSOCIETY

Barbara Fripertinger
Potenz und Potenziale
Macht und Möglichkeiten
Sabina Jarosch
Ein unruhiges und verstocktes Weibsbild
Teresa von Ávila zum 500. Geburtstag
Suzanna Müller
Held oder Opfer
Du hast die Wahl

philoSCIENCE

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Resilienz
Unser seelisches Immunsystem
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Das Potenzial der Potenzierung
Wie Homöopathie wirkt
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Betrachtungen eines Phänomens

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Cervantes trifft Shakespeare
Zu deren 400. Todestag
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Der grüne Mann

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Delia Steinberg Guzmán
Ich will etwas Besonderes sein!
Warum wir nach Mehr und Besserem streben
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Vor allem sei gut!
Von der Kunst, seine Potenziale zu entwickeln
Martin Oßberger
Lebensspiralen
Warum wir immer bei den selben Problemen landen

philoSOPHICS

Aubert Gassner
Der Geist des Frühlings
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Der schnarchende Buddha
Astrid Ringe
Was das Ei über (unsere) Kultur verrät
Gudrun Gutdeutsch
Fit für Fremde
Wie ich ihnen philosophisch begegne
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Buddha und die Raupe
Renate Knoblauch
Du bist ein kleiner Planet
Das Ökosystem unserer Darmflora
Hannes Mittermaier
Salto Mortale in der Philosophie
Über Friedrich Heinrich Jacobi
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Nikola Tesla (1856–1943)

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